Mais.
Das alte Haus riecht förmlich danach, ein starker, moschusartiger Duft, der auf der Zunge liegt.
Du schließt die Tür hinter dir und schaust dich um. Seit Jahren hat niemand mehr in diesem Haus gewohnt, und eine dicke Staubschicht bedeckt alles.
Und da ist er, dieser schwer fassbare Geruch von Mais, der die ganze Atmosphäre des Hauses durchdringt. Es gibt hölzerne Maisfiguren, liebevoll geschnitzt und handbemalt. Körbe, die aus Maisblättern geflochten sind und alte sepiafarbene Bilder von lachenden und jubelnden Männern und Frauen auf Festen. Mais hat in deiner Familie eine lange Tradition. Er ist mit eurer Geschichte verwoben, tief verbunden mit jedem Aspekt der letzten 5 Generationen deiner Sippe. Dein Vater hatte sich damals von seiner Familie getrennt, um in der Stadt sein eigenes Geld zu verdienen. Das Landleben hatte ihm nie gefallen, und nachdem er deine Mutter kennengelernt hatte, kehrte er nie mehr zu der einfachen und harten Arbeit auf dem Feld zurück.
Aber nun bist du hier.
Deine Großmutter, die seit einigen Jahren in einem Altersheim lebt, hatte vor kurzem beschlossen, die Schlüssel zum alten Familienhof an deinen Vater zu übergeben. Er schien kein Interesse daran zu haben, aber du fandest Gefallen an der Idee eines Bauernhofs und daran, finanziell unabhängig zu sein. Gelangweilt fragtest du deinen Vater nach den Schlüsseln. Ohne viel Aufhebens übergab er sie dir, und mit seinem typischen sarkastischen Kichern fragte er dich, ob du das Maisfest wieder ins Leben rufen willst.
Das Maisfest. Ein so ominöses und gewaltiges Wort. Das traditionelle Fest, das deine Familie am Ende jeder Erntezeit feierte. Du blätterst durch einige der verstaubten Fotoalben, deren vergilbte Seiten kaum noch zusammenhalten. Viele Bilder vom Maisfest, einige aus der Zeit vor der Geburt deines Vaters. Die Fotos zeigen viele Menschen, die im traditionellen Stil des damaligen Landlebens gekleidet sind und sich um die großen gemähten Maisfelder versammeln, um zu essen, zu trinken und alberne Spiele zu spielen. Auf den alten Fotos sind ihre Gestalten verschwommen, aber man kann die Fröhlichkeit und das Glück in ihren Gesichtern sehen.
Das Maisfest. Du blickst dich in dem schmuddeligen, alten und leeren Haus um. Und du denkst dir: Ja, du wirst das Maisfest wieder aufleben lassen.
Einige Monate vergehen.
Es war ein harter Kampf mit vielen Hindernissen. Einige erwartete Schwierigkeiten auf dem Weg, andere eher überraschende. Zum Beispiel beschwerten sich die Bauern der benachbarten Felder über den Lärm oder der Bürgermeister war besorgt über den Müll. Aber die meisten dieser Probleme konnten ohne große Schwierigkeiten gemeistert werden. Am schwersten war es allerdings, die eigentliche Hauptzutat zu sichern: den Mais. Die ganzen Arbeitsgeräte waren noch da, auch wenn sie in die Jahre gekommen waren. Die Felder deiner Familie litten schon so lange an Unfruchtbarkeit, dass ein Großteil des Mais gar nicht mehr richtig wuchs. Mit der Hilfe von Dave, einem benachbarten Bauern, der deinen Großvater kannte, konntest du jedoch endlich die Menge an Mais ernten, die du für das Fest zu brauchen glaubst. Du schmiedest große Pläne, organisierst alle möglichen Händler und Stände und blickst dem großen Tag sowohl gespannt als auch ängstlich entgegen.
Und dann fing es an zu regnen.
Seit drei Tagen hat der Himmel alle seine Schleusen geöffnet und schüttet auf die Erde was das Zeug hält. In den Nachrichten ist von Überschwemmungsgefahr die Rede, Dave erzählt mürrisch von einem ähnlich großen Regen, der ein Maisfest deines Urgroßvaters ruiniert hatte, als Dave noch ein kleiner Junge war. Du sitzt allein in dem alten Haus deiner Familie, das jetzt sauber und gemütlich ist, dir aber immer noch irgendwie fremd ist, selbst nach so vielen Monaten und den Besuchen deiner Eltern und deiner Oma. Du hörst den Regen rhythmisch und schwer auf das Dach trommeln und während du aus dem Fenster in die kalte Nacht schaust, fragst du dich, ob das eine gute Idee war. Es war nicht billig, und bisher war es sicher nicht einfach. Selbst wenn der Regen aufhört, wer kann schon sagen, dass das Festival ein Erfolg werden wird? Es ist schon fast drei Jahrzehnte her, dass dein Großvater das letzte Maisfest vor seinem Tod veranstaltet hat. Wer weiß, ob sich die Leute überhaupt noch daran erinnern, was das Maisfest einmal war? Voller Zweifel und Ängste gehst du zu Bett.
Du schläfst in dieser Nacht kaum.
Am Festtag erhebst du dich müde von deiner Matratze und wirst von einem ungewöhnlichen Geräusch begrüßt. Der Gesang eines Vogels anstelle des ständigen Regens. Du trittst nach draußen auf die Veranda und findest die Welt in der kalten Frische, die auf starken Regen folgt, vor. Alles ist tropfnass und grün. Aber über dem Horizont geht eine warme Sonne auf, und der Himmel ist so blau, wie er nur sein kann. Du eilst ins Haus, um Dave anzurufen und alles für das Fest vorzubereiten.
Nun ist es an dir, alles zu organisieren und dieses Maisfest zum größten Fest zu machen, das es je gegeben hat!