Mein schönstes Weihnachten!

ChristmasPodcast

Es war der 24. Dezember gegen Mittag, als ich mich zu meinen Eltern aufmachte. Ich freute mich nicht allzu sehr auf Weihnachten, da Tante Viktoria dieses Jahr mit uns feiern würde. Tante Viktoria war eine angeheiratete Tante, die seit dem Tod meines Onkels zu Weihnachten reihum einer der Geschwisterfamilien meines Vaters auf die Nerven ging, da sie keine eigene Familie hatte.

Nicht zum ersten Mal wünschte ich mir, doch noch einmal über die ganze Advents- und Weihnachtszeit zu verreisen. Einmal hatte ich es geschafft, war allerdings statt in den Zug nach Kopenhagen in den nach Venedig gestiegen, wo ich sehr spannende Tage erlebte. Aber davon erzähle ich ein andermal.

Es hatte angefangen zu schneien und ich beobachtete fasziniert, wie sich die Welt um mich herum veränderte, es wurde zunehmend stiller und alles sah aus, wie mit Puderzucker bestreut. Ich versuchte, ein paar Schneeflocken mit dem Mund zu erhaschen wobei ich den Kopf in die Höhe streckte und mit einem älteren Mann zusammenprallte. Diesem fiel dabei die Einkaufstasche aus der Hand, ein Chaos aus bunten Glitzerscherben versammelte sich auf dem schneeweißen Boden. Es sah unglaublich schön aus und ich konnte meinen Blick nur schwer von dem bunten Glitzer abwenden. Der Mann fand das allerdings nicht ganz so schön und nach einer halben Stunde Verhandlung musste ich ihm versprechen, die Christbaumkugeln schnellstmöglich zu ersetzen also nahm ich ihn mit zur elterlichen Wohnung damit er sich die Kugeln von unserem Baum nehme. Immerhin waren die Läden geschlossen und etwas Besseres fiel mir nicht ein. Unterwegs erfuhr ich, dass er Alfred hieß und Elektriker ist.

Mein Vater war gerade dabei, die Lichterkette am Weihnachtsbaum anzubringen, als wir zuhause ankamen. Ich erzählte ihm, was vorgefallen war und bat darum, Alfreds Christbaumkugeln durch unsere zu ersetzen. In diesem Moment erschien Tante Viktoria und musterte mich entsetzt von oben bis unten. Als sie sah, dass Alfred dabei war, die Christbaumkugeln abzunehmen stürzte sie sich auf ihn, was zur Folge hatte, dass beide in dem Geschenkeberg links vom Baum landeten. Was soll ich sagen, das meiste ging zu Bruch. Alfred nahm beim Fallen noch die Lichterkette mit, die mit einem Zischen erlosch. Es war ihm unendlich peinlich und er versuchte, dies wieder gut zu machen. Leider verursachte er einen Kurzschluss und in der ganzen Wohnung gingen die Lichter aus, woraufhin Alfred schleunigst das Weite suchte.

Meine Mutter hatte unterdessen unser traditionelles Heiligabendessen, Heringssalat, zubereitet und wollte diesen gerade servieren. Ich sah ihn noch kurz lecker lila aufblitzen, als das Licht erlosch.

Wir stellten Kerzen auf und beschlossen, diese seien als Weihnachtsbeleuchtung viel schöner als die blöde Lichterkette. Nur Tante Viktoria war empört über diese „Einfachheit“. Ihr gefiel nur, was schick und teuer aussah, auch ich konnte in meinen zerrissenen Jeans nicht bei ihr punkten. Als ob ich wert darauf gelegt hätte..  Mam und Paps schämten sich schließlich auch nur selten für mich!

Endlich saßen wir mehr oder weniger festlich gekleidet am Tisch und Weihnachten konnte beginnen.

Abgesehen davon, dass unsere Katze in den Weihnachtsbaum kletterte, ihn dabei umriss und dieser sich die Schüssel mit Heringssalat als Landebahn aussuchte, war es ein schönes Weihnachten. Denn Tante Viktoria beschloss uns nicht mehr zu besuchen, hatte sie doch einen Großteil des Heringssalates in ihren mühsam gestylten Haaren wiedergefunden. Sie reiste sofort ab, voller Entsetzen über unsere chaotische Familie.

Und wir? Wir saßen im Kerzenschein in der Wohnung, aßen was der Kühlschrank noch hergab, packten die letzten heile gebliebenen Päckchen aus und freuten uns über jede Kleinigkeit, die noch zu gebrauchen war. Dann spielten wir Mensch-Ärgere-Dich-Nicht bis spät in der Nacht und gingen zufrieden schlafen.

Das war mein schönstes Weihnachten. Man braucht nicht viel, um glücklich zu sein.

In diesem Sinne.. ein frohes Fest wünscht Eure Thorn